Das Angebot an Ausschreibungen für Fotowettbewerbe ist heute nicht mehr zu überschauen. Versucht man einen Überblick über die angebotenen Wettbewerbe, ihre Gemeinsamkeiten und Spezifika zu gewinnen, die lokal, regional, national oder sogar global ausgerichtet werden, kommt man über das Benennen von einigen wenigen basalen Gemeinsamkeiten nicht hinaus. Wettbewerbsausscheibungen im Bereich Fotografie setzen Regeln, machen in den allermeisten Fällen thematische Vorgaben und versprechen Preise. Ganz wichtig: in der Regel wird eine Teilnahmegebühr gefordert.
Das Ergebnis der Betrachtung ist nicht wirklich prickelnd und erhellend. Am Ende des Tages kommt man an der Einsicht nicht vorbei, dass jeder Wettbewerb anders ist. Die unüberschaubare Vielfalt der Wettbewerbe ist genetisch bedingt. Jeder Veranstalter definiert seinen Wettbewerb über Alleinstellungsmerkmale. Hier ist die Vielfalt Programm.
Grundsätzlich finde ich Vielfalt auf der Angebotsseite immer gut, weil sie den Nutzern die Wahl ermöglicht; manchmal wird die Wahl auch zur Qual. Jeder und jede muss die Entscheidung treffen, ob der Nutzwert einer womöglich kostenpflichtigen Einsendung angemessen erscheint. Ist es das Preisgeld oder reicht mir der symbolische Nutzen, den ich der Teilnahme, dem Dabeisein abgewinnen kann? Die Vielfalt der Wettbewerbe spiegelt die Unterschiede in der Motivation der Teilnehmer wider. Das wundert nicht.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvolle Kriterien gibt, nach denen ich die Qualität von Wettbewerben beurteilen kann. Den individuellen Nutzwert haben wir schon benannt. Seriosität ist ein weiteres wichtiges Kriterium. Manche Wettbewerbe grenzen an Abzocke, manche sind es. Schwierig mit der Suche nach Qualitätskriterien für Wettbewerbe wird es, wenn man anfängt, die konstitutiven Charakteristika in Frage zu stellen, die das Format Fotowettbewerb ausmachen.
Da wir uns im Bereich der Wettbewerbsfotografie zumindest in Teilen auf dem Feld der Kunst bewegen, wird gerne auf das hohe Gut der Kunstfreiheit als Argument rekurriert. Die Befürworter einer solchen Argumentation sehen in der thematischen Vorgabe eine Einschränkung ihrer künstlerischen Freiheit. Kurz und bündig: Ein Themenwettbewerb ist schlecht weil freiheitseinschränkend.
Die Kunstfreiheit als Allzweckwaffe gegen jede Vorgabe. Wie praktisch. Vorgaben seien etwas, so das Argument, dass sich nur Bürokraten ausdenken können, die Befriedigung im administrativen Schubladendenken suchen. Es komme nur auf das gute Bild und das Thema des Bildes sei allenfalls Nebensache. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Themenwettbewerbe schränken die künstlerische Freiheit der Fotografinnen und Fotografen ein. Das ist heftig. Und falsch.
Ein gutes Foto hat immer auch etwas mit der Umsetzung des gewählten Themas zu tun. Ein Foto ohne Thema gibt es nicht. In der Kunstwelt ist die Ausschreibung eines Wettbewerbs seit Jahrhunderten eine selbstverständliche Methode, um die künstlerisch wertvollste Umsetzung eines Themas zu erlangen. Das geht weit über die noch junge Fotografie hinaus, sprich war immer schon selbstverständlich und akzeptiert in der Malerei oder Bildhauerei. Wer Themenwettbewerbe mit dem Rückgriff auf das Argument der Kunstfreitheit kritisiert, der stellt Wettbewerbe grundsätzlich in Frage. Wie gesagt, fast alle Wettbewerbe im Bereich der Kunst machen thematische Vorgaben.
Die Befürworter und Befürworterinnen eine solchen Argumentation stehen in der Tradition eines Kunstbegriffes, der sich bis in die zweite Hälfte des 20 Jahrhunderts entwickelt hat. Der Künstler ist autonom und das Kunstwerk hat zweckfrei zu sein. Einem Künstler macht man keine Vorgaben und ein Kunstwerk entzieht sich allen Kriterien der Bewertung von außen. Das dies zwingend zu einer Krise des Kunstbegriffes führen musste und geführt hat, liegt auf der Hand. Wer kann heute noch sagen, was Kunst ist? Nur der Künstler selbst?
Das wäre den Vorkämpferinnen der Kunstfreiheit unter den Fotografen aber auch wieder nicht recht. Denn sie wollen von anderen als Künstler anerkannt werden und das funktioniert nunmal nur, wenn sie sich den Bewertungskriterien der Umwelt sprich den Juroren, dem Markt, der Galerie oder dem Museum ein Stück weit unterwerfen. Diese lästige Umwelt hat aber auch thematische Vorlieben, denen sich die Künstler nicht entziehen können. Wer das „falsche“ Thema in einem offenen Wettbewerb einreicht, wird eine Bruchlandung erleiden. Themenwettbewerbe grundsätzlich abzulehnen, bringt diesen Befürwortern einer Kunstfreiheit, die es in der viel und gerne zitierten Reinheit nie gegeben hat, gar nichts.
Die Qualität eines Fotos hat immer etwas mit Kriterien zu tun, die außerhalb des Künstlers liegen. Die thematische Ausrichtung des Fotos, ob selbst gewählt oder gesetzt, übersetzt sich immer in eine Bewertung. Auf die ist auch der Fotograf angewiesen, der keine Themenvorgabe akzeptiert. Die urteilende Umwelt wie beispielsweise eine Jury bewertet den künstlerischen Wert eines Foto immer nach dem Zusammenspiel von thematischer Orientierung und fotografischer Umsetzung. Das hier Fingerspitzengefühl in der konkreten Juryarbeit gefordert ist und eine gute Abwägung in der Bewertung des Zusammenspiels von fotografischer Qualität und thematischer Treffsicherheit erfolgen muss, ist fast schon eine banale Ansage.
Aber vielleicht ist ja alles viel einfacher. Wer Themenvorgaben gänzlich ablehnt, hat möglicherweise ein intellektuelles Problem oder ist zu faul zum Nachdenken. Manchmal habe ich auch den Verdacht, dass hier ein wenig Eitelkeit eine Rolle spielt. Ich der Künstler lasse mich doch nicht gängeln! Ich liefere nur Qualität ab und am besten sollte ich Künstler und Juror in einem sein. Sozusagen in Personalunion. Klar das klingt böse, ist aber nicht so gemeint und sehr zugespitzt formuliert. Wer mit einer Themensetzung Probleme hat, ist herausgefordert. Was ist daran schlecht? Ich freue mich jedenfalls auf das Nachdenken, fühle mich angeregt und bin gerne herausgefordert. Vielleicht muss ich länger nachdenken als andere. Ja und? Wer Anfänger ist, der sollte den Themenwettbewerb als Trainingslager betrachten. Ich will mich als Nachwuchsfotograf ausdrücken, austoben aber ich will auch lernen und mich weiterentwickeln. Ein Wettbewerb soll für Bewegung sorgen; im Kopf und in den Beinen. Das gilt auch für die großen Künstler unter uns, die allesamt noch Entwicklungspotential haben; so meine Hoffnung. Dazu gehöre ich nicht. Ich sehe mich noch am Anfang stehend. Ich will vor allem lernen!
Deshalb sind für mich Themenwettbewerbe der bewährte Standard der Wettbewerbslandschaft. So wie er sich weltweit entwickelt hat. Thematisch offene Wettbewerbe sind aus meiner Sicht nicht zweite Wahl, sondern stellen eine anders gelagerte Herausforderung dar, die deutlich unspezifischer und mit weniger Leitplanken versehen ist. Letzteres darf man auch mögen. Wir bieten als Landesverband beide Formate an. Dafür bin ich dankbar. Freue mich auf Kommentare im Forum.
Christoph Linzbach