Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 02.01.2022 Hintergrundwissen

    Wettbewerbe ohne Ende…

    und nichts Neues?






    Die Zahl der Fotowettbewerbe ist unübersehbar. Es gibt Ausschreibung zu nahezu jedem Thema. Oder anders ausgedrückt es gibt kaum ein Thema - abstrakt oder konkret -, dass nicht als wettbewerbsgeeignet angesehen wird. Es gibt Wettbewerbe, die sich an alle Altersgruppen richten, an Anfänger wie an Fortgeschrittene sowie an Fotografen, die mit der Fotografie beruflich unterwegs sind und an solche, die mit ihren Fotos nicht den eigenen Unterhalt bestreiten müssen.  Die Vielfalt der Adressaten spiegelt sich in der Bandbreite der Erwartungen und Hoffnungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen wider.

    Wettbewerbe werden von angesehen Institutionen, Stiftungen, Banken, Museen ausgerichtet von der lokalen bis zur internationalen Ebene. Das Versprechen dieser Veranstaltungen liegt oberflächlich betrachtet  in der Aussicht auf Preise. Dahinter steckt oft genug das Kalkül, mit dem Wettbewerb die eigene Institution aufzuwerten, während die  Preisträger ihrerseits auf Renommeegewinn und Einkommenszuwachs hoffen dürfen. Für die den Wettbewerb tragende Organisation geht das fast immer auf.  Für die Teilnehmer geht die erworbene Anerkennung oft nicht über die Szene der Eingeweihten hinaus. Das sollte man nicht gering schätzen. Dennoch scheint die Enttäuschung für diejenigen vorprogrammiert, die den Nutzen, den sie aus einer Teilnahme ziehen können, falsch einschätzen.

    Eines darf mach nicht übersehen. So mancher Wettbewerb nutzt nur dem Veranstalter, der mit den kostenpflichtigen Einsendungen mehr oder weniger seriös umgeht. Das vorrangige Interesse liegt schlicht im Gewinn. Die Geschäftsidee ist frei von größeren Risiken und  partizipiert am guten Ruf anerkannter Wettbewerbe. Die Teilnehmer können kaum hinter die Kulissen solcher Veranstaltungen schauen. Sie erwerben mit ihrer Teilnahme ein Produkt, dessen Kennzeichnung nicht oder nur partiell mit dem Inhalt übereinstimmt

    Der „Nutzen“ der Teilnahme auch an den angesehensten Wettbewerben muss in einem „vernünftigen“ Verhältnis nicht nur zum Einsatz sondern auch zu den Gewinnchancen stehen. Das klingt nach einer Binsenweisheit, dahinter steckt aber viel mehr. Selbst der Gewinn des World Press Photo Award hat neben einem ansehnlichen Preisgeld nicht zwingend zur Folge, dass die Welt des Berufsfotografen oder der Berufsfotografinnen von heute auf morgen völlig anders aussieht und der Mailaccount vor lukrativen Auftragen nur so überläuft. Im  Lichte dieser Erkenntnis sollte man bei Wettbewerben, die viel Aufhebens um ihre eigene Bedeutung machen, genau hinschauen und Schein und Sein nüchtern voneinander trennen. Wird hier Bedeutung vorgestäuscht? Stimmt die Selbsteinschätzung der Veranstalter? Die Beantwortung der Fragen hat Folgen für den potentiellen Nutzen für die Teilnehmer.

    Hunderte Fotografen investieren Zeit und Geld, um das eine außergewöhnliche Foto zu produzieren. Und doch scheint die Planbarkeit des Vorhabens „Gewinn eines national oder international angesehenen Wettbewerbs“ eher dem beim Lotto oder Pferderennen zu ähneln.  Es gibt kein Rezept für den Gewinn eines Wettbewerbs. Mancher Fotograf scheint ein Händchen zu haben und sammelt mehr Trophäen als andere. Nicht wenige investieren hohe Summen in die Teilnahme an Ausschreibungen. Das Management der Wettbewerbsbeteiligungen ist entsprechend aufwendig. Das „je mehr desto besser“ kann zur Sucht werden.

    Niemand sollte sich von der Teilnahme an anspruchsvollen und seriös aufgestellten Wettbewerben abhalten lassen. Klar ist, dass der Nutzen im Erreichen des Treppchens bestehen kann, aber es macht Sinn, darüber nachzudenken, ob ich ausschließlich ein nahezu unerreichbares Ziel verfolge oder mit der Teilnahme Sekundärnutzen verbunden sind, so dass für mich in jedem Fall ein Trostpreis abfällt. Es macht Sinn, die eigene Wettbewerbsorientierung gelegentlich zu hinterfragen. Warum nehme ich genau an diesem Wettbewerbs teil. Geht es um das Dabeisein? Will ich gewinnen? Will ich mich als Fotograf etablieren? Suche ich Anerkennung? Oder will ich mich vor allem mit anderen messen? Vielleicht will ich mich ja auch nur auf der Preisverleihung mit anderen austauschen und die Gemeinschaft pflegen?

    Ich denke diese Ziele sind allesamt legitim und nicht zu beanstanden. Da die meisten von uns nicht zu den Spitzenfotografen dieser Welt und vielleicht - wie in meinem Fall - auch nicht zu den Besten der heimischen Region gehören, sollten wir aus meiner Sicht ein Erwartungsmangement betreiben, dass soziale und kooperative Gesichtspunkte an die erste Stelle setzt. Unser Landesverband offeriert neben vielen innovativen Angeboten unter der Regie unseres Vorsitzenden, Dr. Uwe Hantke phantastische Wettbewerbe, die die Möglichkeit der Pflege der Freude an der Fotografie und des Zusammenhalts unter uns Fotografinnen und Fotografen eröffnen. Für mich liegt hier der wichtigste Grund für die Teilnahme. Ich möchte gerne mit den Fotofreundinnen und Fotofreunden vor den Siegerbildern stehen, gemeinsam darüber sprechen und mich daran freuen. Wettbewerbsorientiertes Fotografieren ist für viele von uns wichtig, aber der Nutzen von Wettbewerben und der mindestens gleich wichtigen anderen Angebote des Landesverbandes geht deutlich darüber hinaus. Bitte macht in diesem Sinne von unseren Angeboten Gebrauch - in 2022 und darüber hinaus.

    Eingangs habe ich die Frage gestellt …und nicht Neues? Was der Landesverband zu bieten hat, kann auf der Website nachgelesen und im Forum diskutiert werden. Eine vermeintlich innovativer internationaler Wettbewerb ist mir in letzter Zeit aufgefallen, den ich noch erwähnen möchte. Er nennt sich Natural Landscape Photograph Awards. Es soll um realistische und authentische Landschaftsfotos gehen. Die Begründer Matt Payne, Tim Parkin, Alex Nail, and Rajesh Jyothiswaran wollen frischen Wind in die wie oben gesehen saturierte Wettbewerbsszene bringen. Nach den Regeln dieses Wettbewerbs sollen „deceptive digital editing techniques“, die aus der Sicht des Gründerteams allgegenwärtig und zu dominant geworden sind, vermieden werden. Die Grenze zwischen Kunst und Realität verschwimme zunehmend. Dahinter steht die Annahme, dass Fotografen, die sich nicht extensiv der digitalen Möglichkeiten von Photoshop und Co. bedienen, in Wettbewerben kaum noch Chancen haben. Ob ein solcher Wettbewerb notwendig ist, ob das dahinter stehende Gedankengerüst stimmig ist und ob sich ein solcher Wettbewerb in der Praxis von anderen Landschaftswettbewerben tatsächlich abgrenzt, darüber macht euch bitte selbst ein Bild. Ein interessanter Diskussionsbeitrag ist das Vorhaben sicherlich.

    Christoph Linzbach

    https://naturallandscapeawards.com/