Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 18.10.2021 Hintergrundwissen

    Serielle Fotografie I

    Der Versuch einer Annäherung




    Der Begriff der Serie spielt in der Kunst und damit auch in der Fotografie eine wichtige Rolle. Viele künstlerisch ambitionierte Fotografen bevorzugen die Serie als künstlerisches Medium, bzw. machen diese zu ihrem Markenszeichen. So mancher Amateur findet es reizvoll, einen Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven zu fotografieren und das Ergebnis als Tableau zu präsentieren. Serielles Arbeiten hat einen besonderen Reiz.

    Ein abschließende in der Kunstwelt akzeptierte Definition des Begriffs „Serie“, die aus einer festgelegten von allen Experten akzeptierten Menge an Merkmalen besteht, scheint es nicht zu geben. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass es so etwas wie Serien gibt.

    Alle haben eine ungefähre Vorstellung davon, was eine Serie sein könnte. Die Schnittmenge der Vorstellungen ist groß genug, dass man sich darüber unterhalten kann. Wenn wir über eine Serie reden, dann denken wir zunächst an Reihe, Wiederholung und Variation. Das sind formale Kriterien, die noch nichts oder fast nichts darüber aussagen, ob und welche inhaltlichen Kriterien einer Serie ausmachen.

    Eine Serie ähnelt ein wenig dem Fussball. Alle reden darüber und halten sich für Experten. Der Fussball hat aber zumindest feste Regeln, die Serie dagegen scheint allenfalls einige basale Standards zu besitzen und ist ein eher offenes Konzept. Sorry für den Vergleich.

    Neben dem Begriff Serie kursieren noch andere Begriffe, die eine Reihung implizieren wie zum Beispiel der Begriff Sequenz, der allerdings selten und oft nicht klar abgegrenzt von dem Begriff Serie verwendet wird. Beim Film wird unter Sequenz eine Abfolge von Filmszenen verstanden, die eine Einheit bilden. Der Begriff Sequenz zielt auf einen Prozess ab, sprich auf eine Abfolge, auf etwas das nacheinander geschieht.

    Ich bin der Auffassung, wir sollten das Ganze für unsere fotografischen Zwecke nicht zu kompliziert machen. Allerdings sollten die Begriffe, die wir verwenden, so eindeutig  wie möglich definiert sein.  Macht es Sinn, den Begriff Sequenz gleichsam als eigenständigen Gattungsbegriff neben die Serie zu stellen? Oder ist die Sequenzen eine von vielen spezifischen Ausformungen von dem, was allgemein als  Serie in der Kunst und in der Fotografie bezeichnet und anerkannt wird?

    Man kann sich dem Begriff Serie auch nähern, in dem man sich anschaut, was darunter gefasst wird. Die Hamburger Kunsthalle zeigte in diesem Jahr eine Ausstellung unter der Überschrift SERIEN. Ein Blick auf die Website und noch besser den Katalog zeigt die Vielfalt dessen, was man alles unter Serie in der Kunst verstehen kann:

    „Das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle besitzt einen herausragenden Bestand druckgraphischer Serien, die mit Ausnahme von Andy Warhols  Siebdrucken, bisher nur selten oder noch nie gezeigt worden sind. Die Ausstellung SERIEN zeigt nun erstmals Highlights der Sammlung von 1960 bis heute, die zugleich auch die Geschichte dieses Mediums seit den 1960er Jahren skizziert von Josef Albers (1888-1976) »Hommage au careè« (1965) über David Hockneys (*1937) Zyklus »A Rakes Progress« (1961–63), Roy Lichtensteins »Haystack« bis zu Christopher Wools (*1955) Serie »Untitled« (2016). Einen weiteren Schwerpunkt bilden die aktuellen Neuerwerbungen von jungen Künstler*innen, wie die Serie »Mid Sentence« (2018) von Nina Canell (*1979) oder Helen Cammocks Folge (*1977) »Shouting in Whispers« (2017)."

    Einen Künstler möchte ich herausgreifen, weil er in einer Serie Bezug nimmt auf einen Meister der Malerei, der vor fast drei Jahrhunderte ebenfalls Serien fertigte. David Hockney illustriert in einer Serie von 16 zweifarbigen Radierungen  mit dem Titel "Werdegang eines Wüstlings" ("A Rake's Progress") seine erste New York-Reise vom Sommer 1961. Das Werk ist eine Referenz an den berühmten gleichnamigen Zyklus von 8 Gemälden des englischen Künstlers William Hogarth (1697-1764). Serien haben offensichtlich eine lange Tradition.

    Auf einen der wichtigsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit möchte ich ebenfalls hinweisen, dessen Werk gerne in Werkgruppen unterteilt wird. Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg bringt in diesem Jahr unter dem Titel „Dualismus“ eine Retrospektive des Werks des 2010 verstorbenen Künstlers Sigmar Polke. Das Foto zu diesem Beitrag zeigt eine Reihe von Fotografien, die 4 Jahre vor seinem Tod entstanden sind und offensichtlich zusammen gehören, weil sie den Himmel als Sujet in verschiedenen Variationen abbilden. Eine seiner vielen Werkgruppen.

    Aber warum spricht das Kunstforum Ostdeutsche Galerie im Fall des Künsterls Sigmar Polke von Werkgruppe und nicht von Serie? Ist die Sprachverwirrung damit komplett? Serie, Sequenz, Werkgruppe? Und dann kommt ja noch der Begriff Portfolio dazu. Lest den zweiten Teil am Donnerstag.

    Christoph Linzbach