Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • Ein Stück von John von Düffel aufgeführt im Theater Oberhausen 15.05.2023 Hintergrundwissen

    Die endlose Causa Leni Riefenstahl



    Und wie gehen wir mit ihren Bildern um.....


    Der Beitrag von Christoph Schaden in der  Photonews 5/2023 „Hitler hatte seinen Kampf, ich hatte meinen“ zur Causa Leni Riefenstahl hätte nicht zwingend mit der rhetorischen Frage „Hat noch jemand Zweifel?“ schließen müssen. Leni Riefenstahl war eine geistige Wegbereiterin des Nationalsozialismus. Daran gibt es keinen ernsthaften Zweifel. Grund genug sie in der Versenkung verschwinden zu lassen? Darf man ihre faschistische Ästhetik vermarkten?

    Der Umgang mit ihrem Erbe in Deutschland könnte kaum unterschiedlicher sein. Findet sich eine Gelegenheit, ihre faschistische Ästhetik öffentlich zu diskutieren, wird der Ruf laut „…Riefenstahl-Bilder doch bitte aus Galerien und Museen zu entfernen.“, so Christoph Schaden. Der Taschen-Verlag vermarktete nach 2000 die Riefenstahl-Ästhetik anläßlich ihres 100. Geburtstags höchst gewinnbringend und wie der Spiegel damals schrieb ohne jeden Zweifel an der Richtigkeit des eigenen Vorgehens. Der Hinweis auf die von unterschiedlichen Positionen geprägte Rezeptionsgeschichte ihres Werkes, bis heute auf der Website des Verlags zu finden, dient als eine Art Rechtfertigung. Dahinter steckt ein ökonomisch motivierter moralischer Relativismus, der die Wahrheit jeder Behauptung als Variable, abhängig von den Umständen und Personen erscheinen läßt. Es gibt aber keine zwei Wahrheiten über Leni Riefenstahl. Das Werk dieser Fotografin kann man nicht von der Person und ihrer Täterschaft trennen. Sie hat keine Jugendsünden begangen, die beim Anblick ihrer Afrika-Bilder gerne vergessen werden dürfen. Das permanente Bestreben, moralische Schuld und angebliche künstlerische Verdienste in ein Art Gleichgewicht zu bringen, war kennzeichnend für eine Manipulation des öffentlichen Diskurses, die es dem Taschen-Verlag erst ermöglichte, im Jahre 2001 einen Taschenkalender mit unkommentierten Fotos aus Triumph des Willens zu publizieren.

    Andererseits darf und muss ihr Einfluss auf Film und Fotografie Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse und Bewertung bleiben. Bild- und medienkritische Untersuchungen liegen vor und werden fortgeschrieben. Es kommt beim Umgang mit ihrem Werk entscheidend auf die Kontextualisierung an. Der Starkult um ihre Person, der bis heute anhält und ihre Vermarktung als Mythos, als legendäre Fotografin sind ganz sicher kein geeigneter Kontext und bieten zudem keine akzeptable Rechtfertigungsgrundlage für ökonomische Ausbeutung. Ihr Werk im Sinne der von Christoph Schaden zitierten Cancel Culture verschwinden zu lassen, ist ebenfalls ein hoch problematischer Ansatz. Die wissenschaftliche Bearbeitung des Lebenswerk der Leni Riefenstahl mit aufklärerischem Impetus und Ziel bleibt eine Aufgabe der Bildhistoriker, die nicht aus individueller emotionaler Betroffenheit oder anderen Gründen in Frage gestellt werden darf. Sie sind darauf trainiert, einen geeigneten Kontext für das Zeigen der Riefenstahl-Fotografien bereitzustellen. Das ist Teil ihrer Arbeit.

    In diesem Sinne war es gut, dass sich die Frühjahrstagung der DFA mit der Frage der „neuen“ Bilderverbote beschäftigt hat. Der Beitrag der Historikern Dr. Petra Bopp und des Journalisten Andreas Langen reflektierte die Beobachtung, dass der Umgang mit historischen Bildern und anderen Artefakten immer schwieriger wird. Zwar ging es hier nicht um Täterbilder, sondern eher um die der Opfer, die auf eine wachsende Empfindlichkeit des Publikums treffen. Die Mechanismen der Cancel-Culture funktionieren aber immer nach demselben Muster.

    Christoph Linzbach