Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 27.10.2022 Hintergrundwissen

    Ruth Stoltenberg…

    … prominent vertreten in der fotoMagazin EDITION 12/22







    Das fotoMagazin bildet unter der Überschrift „Im Schatten der Baobabs“ Fotografien ab, die Ruth Stoltenberg im Senegal 2019 aufgenommen hat. Manfred Zöllner, der einen sehr einfühlsamen Begleittext geschrieben hat, zitiert sie mit den Worten: „Ich wollte in meinem Projekt Porträts dieser Bäume machen und ihnen meinen Respekt zollen“.

    Respekt ist ein Schlüsselwort in der Fotografie der Ruth Stoltenberg. Der Respekt vor den legendenumströmten Affenbrotbaumriesen schließt die Menschen ein, die die Bäume vollständig in ihr Leben und ihre Architektur integriert haben. Die Baobabs tragen zur Gestaltung des umbauten Raums ganz selbstverständlich bei. Zugleich gelten sie in Afrika als Symbol für die ewige Natur, für ursprüngliches Leben. Sie verkörpern, mächtig wie sie sind, den großen Bedarf an Spiritualität der Menschen im Senegal. Die Hinwendung und das Erleben einer nicht erklärbaren transzendenten Realität ist Teil ihres Lebensalltags. Den Respekt vor afrikanischen Kulturen zu bewahren bzw. wieder aufzubauen, ist eine Botschaft, die uns Ruth Stoltenberg mit diesen Fotos sendet. Zudem müssen wir unser Verhältnis zur Natur neu definieren. In Afrika finden wir Vorbilder.

    Ruth Stoltenberg hat den Senegal 2006 und 2019 bereist. Zwischenzeitig arbeitete sie in einem Projekt zur Unterstützung von Flüchtlingen aus Afrika. Sie besuchte die tief gelegene Stadt Saint-Louis im Nordwesten Senegals, deren auf einer Insel liegender Stadtkern durch den steigenden Meeresspiegel und den Fluss Senegal bedroht ist. Bereits 2006 war sie in dieser einstigen Hauptstadt des frankophonen Westafrikas und war beeindruckt von der französischen Kolonialarchitektur, die trotz oder gerade wegen ihres Verfalls einen besonderen Charme auf sie ausübte.

    Bei ihrem zweiten Besuch hat sie dort unter anderem einheimische Fischer fotografiert, die auf der sogenannten Fischerinsel leben, in einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. Ihre kleinen zusammengestückelten Hütten werden regelmäßig von den gefräßigen Wellen erfasst, erschüttert und nicht selten zerstört. 2003, so Ruth Stoltenberg, wurde ein ganzes Dorf vernichtet. Der Klimawandel schlägt dort am härtesten zu, wo die ärmsten Menschen der Welt leben. Die Existenzgrundlage der Fischer wird mindestens ebenso stark chinesische Fangflotten gefährdet. Die Fischer müssen sich immer weiter hinaus in die gefährlichen Strömungen wagen, um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu decken. Dies sind einige der Gründe, warum so viele junge Menschen die lebensgefährdende Reise nach Europa über die Landesgrenzen in Afrika und das Mittelmeer hinweg wagen.

    Ruth Stoltenberg ist eine Fotografin, die mit Umsicht, Respekt und viel Feingefühl die prekäre Lebenssituation der Menschen in Saint-Louis einfängt. Über Wochen streift sie mit der Kamera durch die Straßen und am schmalen Strand entlang, macht sich mit dem Leben der Menschen und die Menschen mit ihrer Person und ihrer fotografischen Absicht vertraut. Es gelingen ihr Aufnahmen, in denen sie das ganze Leben vor Ort in einem Mikrokosmos einfängt. Spielende Kinder, teilnahmslose Ältere wie auch Jugendliche und Erwachsene, die den Lebensunterhalt erwirtschaften als ein Panorama des Lebens. Immer wieder wird sie nach dem Sehnsuchtsort Europa gefragt. Gebt uns eine Chance, in Europa Geld für unsere Familien zu verdienen, so die flehentliche Botschaft der Menschen an Ruth Stoltenberg. Eine Botschaft die wir mit dem Wort  „Wirtschaftsflüchtlinge“ abkanzeln und abwehren. Nein Ruth Stoltenberg fotografiert Menschen, die wir Europäer selbst mit vergangenem und gegenwärtigem Handeln in ernste Schwierigkeiten bringen. Die jungen Afrikaner flüchten auch vor den Folgen des unverantwortlichen Handelns der Industrieländer.

    Sie arbeitet derzeit an der Vorbereitung eines Bildbandes mit eigenen Texten und Beiträgen afrikanischer Literaten. Angestrebt wird die Symbiose einer europäischen und afrikanischen Perspektive auf das Leben in Saint-Louis. Das dies gelingen kann, zeigen die Rückmeldungen, die Ruth Stoltenberg auf ihre Fotografie im Senegal selbst bekommen hat. Sie sieht Saint-Louis so wie die Senegalesen ihre Stadt lesen. Der Bildband soll zudem die starke Verbundenheit der Bevölkerung mit den Mythen des Landes zeigen, ebenso wie die Einbettung der Spiritualität in ihren Lebensalltag. Wir dürfen gespannt sein auf Geschichten über Flussgöttinen, die aus dem Wasser steigen und die Fehler der Menschen betrafen. Afrika ist und bleibt ein Kontinent der großen Erzählungen.

    Wir können stolz drauf sein, dass wir in unserem Landesverband mit Birgit Hantke eine Fotografin haben, die sich dem Leben in Afrika mit ebenso viel Feingefühl und Respekt zugewandt hat. Ihr Buch „Lebensräume in Langa“ ist ein sehr persönlicher Blick auf eine unserer Wohlstandsgesellschaft fremde Welt, wie sie selbst schreibt. Eine Liebeserklärung an hoffnungsfrohe Menschen in einem Township. Sie regt damit wie Ruth Stoltenberg zum intensiven Nachdenken und Mitfühlen an. Es ist eine Freude, beide fotografische Positionen nebeneinander zu legen und zu vergleichen.

    Christoph Linzbach

    https://www.life-framer.com/photographer/ruth-stoltenberg/

    https://www.united-kiosk.de/zeitschriften/computer-technik/fotomagazin-edition/