Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 24.10.2022 Fotografische Grundlagen

    Rumors I…

    …ein wenig spekulieren darf erlaubt sein und fördert den Umsatz






    Wer kennt sie nicht die Gerüchteküchen der großen Kamerahersteller. Sorry das war jetzt nicht ganz präzise formuliert. Nikon Rumors, Leica Rumors, Pentax Rumors oder FujiAddict findet man gleich gebündelt im Netz. Canon Rumors läuft gesondert. Die Zahl der herstellerbezogenen Gerüchteseiten im Netz ist in den letzte Jahren ständig gewachsen.

    Nein, es sind natürlich nicht Gerüchteküchen, die von den Kameraherstellern betrieben werden. Die Websites betonen ihre Unabhängigkeit vermutlich aus rechtlichen Gründen. Um nicht haftbar gemacht zu werden für Falschmeldungen, kann man vermuten. Die symbiotische Verbindung zu den Herstellern ist aber unverkennbar und ganz offensichtlich  gewollt und  gern gesehen.

    Vergleichbare Versicherungen finden sich zuhauf auf den Rumorseiten, scheinen mit einem Smiley versehen, einem Augenzwinkern, das jeder Marketingabteilung ein beständiges Lächeln ins Gesicht zaubern dürfte:

    „NikonRumors.com has no affiliation with Nikon USA or any other subsidiary of Nikon. Please visit the official Nikon website at nikon.com. All other trademarks and brands belong to their respective owners.“ 

    Der Weg aus der Gerüchteküche auf die offizielle Website des Herstellers ist aufgezeigt.


    Gerüchte betreffen alle Fotograf:innen. Sei es dass sie eine neue Ausrüstung kaufen oder alte verkaufen wollen. Sei es dass sie eigentlich ganz zufrieden sind, mit dem was sie haben. Dann werden sie schnell zur Zielscheibe der Hersteller und der Gerüchteküchen, die neue Bedarfe und Bedürfnisse erzeugen möchten. Jeder neue Eintrag hat Auswirkungen auf die Fangemeinde und die Aktienkurse der Hersteller. Und natürlich gibt es in der Fotowelt auch Gerüchte, die den Herstellern nicht gefallen. Nachrichten über einen defizitären Autofokus eines neuen Kameramodells verbreiten sich in der Welt der Blogs rasant. Interessant ist, dass die oben genannten Rumorseiten davon relativ frei sind. Nikon Rumors und Konsorten sind mächtige Player in der Welt der Gerüchteküchen, aber sicherlich nicht die einzigen.

    Was ist eigentlich ein Gerücht? Wie kommt es zustande? Welche Wirkung hat ein Gerücht? Hier nur einige Anmerkungen zu einem Thema, das man auch in einer länglichen Dissertation abhandeln könnte. Ein Gerücht umfasst zunächst eine Information, die noch nicht veröffentlicht wurde. Ein Gerücht beinhaltet eine Information, die nicht oder noch nicht bestätigt wurde, bzw. aus einer nicht-offiziellen Quelle stammt. Die Verifikation des Wahrheitsgehalts steht aus. Ein Gerücht hört auch dann auf ein Gerücht zu sein, wenn es falsifiziert wurde.

    Menschen können sich Gerüchten nicht vollständig entziehen. Psychologisch gesehen fallen Gerüchte also auf einen fruchtbaren Boden. Sie können wahr sein oder einen wahren Kern haben. Wer Gerüchte streut, der muss in zehn Fällen nur  einmal richtig liegen und schon ist ihm dauerhaftes Interesse sicher.

    Gerüchte können entstehen durch unzufriedene Mitarbeiter:innen, die etwas ausplaudern, Firmen die sie als Marketinginstrument einsetzen oder  Influencer, die neuen Stoff brauchen, um ihre Präsens im Netz zu steigern. Korruption soll auch eine Rolle spielen. Interviews von Firmenchefs werden im Netz gerne darauf abgeklopft, ob man daraus ein neues Gerücht schmieden kann. Firmen beschreiten mit ihren Produkten einen Entwicklungspfad, der bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar ist. Wenn Fuji und Hasselblad neue Mittelformatmodelle auf den Markt bringen, dann stellt sich fast automatisch die Frage, ob Canon, Nikon oder Sony nachziehen.

    Insofern sind Gerüchte systemisch bedingt. Gerüchte sind eine Art von Informationsinkontinenz, die fast zwangsläufig auftritt und nicht zu kontrollieren ist. Wir lieben sie und auch deshalb können Gerüchte kaum eingedämmt werden. Die Hersteller haben das erkannt und scheinen die Gerüchteköche immer öfters und völlig gratis zu beliefern. Oder gibt es doch eine Provision?

    Das ändert nichts daran, dass das Gear Acquisition Syndrome eine Krankheit ist und Selbstkontrolle den besten Schutz darstellt. Für 99,5 Prozent der Fotograf:innen reicht die Ausrüstung aus, die sie bereits haben. Mit einer neuen Ausrüstung macht niemand besser Fotos.

    Christoph Linzbach