Fotografie News - Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

  • 26.05.2022 Hintergrundwissen

    Der Deutsche Fotorat....

    ...muss das Dach für ganz viele werden.



    Der vor einem Jahr gegründete Deutsche Fotorat erhebt den Anspruch, der Fotografie eine Stimme gegenüber Gesellschaft und Politik zu geben. Das ist wunderbar, aber auch überfällig. Das Leitbild des Deutschen Fotorates fasst das Anliegen wie  folgt zusammen: „Die Fotografie mit ihren unterschiedlichen Bereichen gehört zu den wichtigsten Kulturgütern unserer Zeit. Ihre Reichweite, Wirkung und die Vielfalt ihrer Gestaltungsmittel sind enorm.“

    Das der organisierten Fotografie in Deutschland seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ein einheitliches Dach fehlt, unter dem sich alle Sparten der Fotografie vereinen und gemeinsam die Interessen der Fotografie als wirkmächtigsten Kulturgut unserer Zeit vertreten, ist nicht leicht erklären. Schnell ist man geneigt, die Antwort in einem vermeintlichen Versagen der Organisationen zu suchen, die nach Sparten geordnet lieber getrennt von einander und manchmal gegen einander agierten. Schuldzuweisungen bringen niemanden weiter und greifen auch zu kurz. Es ist falsch, von einem Versagen zu sprechen, allenfalls kann von einem Defizit die Rede sein  Das beschriebene Defizit ist historisch gewachsen. Es wiegt sehr schwer, aber wie schwer es wiegt, ist schwierig abzuschätzen, denn die vier Gründungsorganisationen haben sich auf ihren individuellen Wegen ohne jeden Zweifel um den Stellenwert und die Entwicklung der Fotografie in Deutschland Verdienste erworben. Und das nicht zu knapp.

    Organisationen mit dem Fokus auf einer Fotografie, die sich als Kunst versteht, haben im  letzten Jahrhundert lange eine Abneigung gegenüber Politik gepflegt, die in ihrem Selbst- und Weltverständnis begründet liegt. Kunst so das Credo muss rein und autonom bleiben, und darf sich nicht von der Politik vereinnahmen lassen. Das im wahren Leben der Kunst zu keinem Zeitpunkt ein politikfreier Handlungsraum zur Verfügung stand, bedarf nicht der Erwähnung. Selbst dort, wo diese Abneigung nicht so deutlich formuliert wurde, war man sich doch lange Zeit selbst genug und hatte die Politik nicht auf dem Schirm. Es gab also durchaus gute Gründe für Politikferne, aber am Ende des Tages braucht man sie doch.

    Dann gibt es Organisationen, die sich als Vertretungen von Fotografinnen und Fotografen verstehen, aber nicht zu allererst für die Fotografie als solche einstehen wollen. Selbstverständlich betonen alle berufsständisch orientieren Organisationen die Bedeutung der Fotografie als wichtiges Gut. Im Einzelfall leitet sich das Bekenntnis zur Fotografie aber aus Leitbildern ab, die die beruflichen Interessen der Mitglieder in den Mittelpunkt stellen. Warum auch nicht!  Die Politikorientierung ist damit klar einge- und umgrenzt.

    Vielleicht sollte man hier noch einen dritten Typ benennen, der die Kultur in ihrer Gänze als Handlungsfeld ausmacht sprich die Belange der Fotografie und verwandter Bildmedien in allen kulturellen Kontexten vertreten möchte.  Das klingt umfassend, ist es aber nicht, schaut man sich an, das beispielsweise die Politik im Leitbild als ein Handlungsfeld des Fotografischen gesehen wird nicht aber als zentraler Adressat der eigenen Interessenvertretung für die Fotografie als Ganzes. Das sind zwei gänzlich verschiedene Ansätze. Dennoch steht auch hier ein hoher Anspruch im Raum, der in bemerkenswerter Weise umgesetzt wurde.

    Es ist wohl zu vermuten, dass sich die vier Gründungsorganisationen des Deutschen Fotorates in den drei typisierenden Beschreibungen mehr oder wenig wiederkennen dürften. Die Betonung liegt auf mehr oder weniger, denn jede Typisierung wird der Realität im Einzelfall nie ganz gerecht. Eines bleibt gewiss: Die vier Gründungsorganisationen des Deutschen Fotorates haben viel geleistet, werden noch viel leisten und dafür ist zu danken.

    Kategorial etwas davon abgesetzt sind die Organisationen zu sehen, die die Amateurfotografinnen und Amateurfotografen in Deutschland vertreten. Sie sind gesondert zu betrachten, nicht nur weil sich viele Amateure nicht als Künstler sehen und mit ihrer Fotografie keinem Broterwerb nachgehen. Manche sind künstlerisch orientiert, mit bemerkenswerter Qualität und haben durchaus auch finanziellen Erfolg. Es gibt in unserem Land phantastische Amateurfotografinnen und Amateurfotografen und eine Historie, auf die wir stolz sein können. Leider muss man konstatieren, dass bei vielen Verbandsverantwortlichen nicht einmal im Ansatz eine Bereitschaft zu erkennen ist, für die Fotografie als Ganzes einzustehen und die Politik als Partner zu sehen, gegenüber der man eigene Interessen wahrnehmen kann und tunlichst sollte. Es gibt Ausnahmen vor allem auf der Ebene der Bundesländer, aber der Mangel an Bereitschaft zur Selbstreflexion bei einigen auf der Bundesebene agierenden Funktionären der Amateure ist schon bemerkenswert. Vielleicht bewirkt ja die Gründung des Deutschen Fotorates ein Umdenken.

    Der Deutsche Fotorat mit den vier traditionsreichen und verdienstvollen Gründungsorganisationen, der Deutschen Fotografischen Akademie, der Deutschen Gesellschaft für Photographie, dem BFF – Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter und FREELENS lädt in der kommenden Woche zu einem Symposium ein:

    Fotografie – Das Auge unserer Gesellschaft Mittwoch, 1. Juni 2022, 14 bis 19 Uhr in den Deichtorhallen Hamburg, Auditorium im Haus für aktuelle Kunst.

    Die erste große Veranstaltung des Deutschen Fotorates. Das Symposium ist ein wichtiger Meilenstein im Aufbau dieses so wichtigen Dachverbandes, der noch am Anfang einer hoffentlich blühenden Entwicklung steht. Ich werde dort sein und gerne berichten.

    Christoph Linzbach

    https://deutscher-fotorat.de/